Galaktische kosmische Strahlung und Überreste von Supernova-Explosionen
Die Erde ist einem dauernden Bombardement kosmischer Strahlung ausgesetzt. Bei Energien unter 1015-1018 eV werden der kosmischen Strahlung Quellen aus unserer Milchstraße zugeschrieben. Teilchen mit Energien über diesem Limit verbleiben nicht innerhalb unserer Galaxie. Die gemessenen Häufigkeiten verschiedener Elemente der kosmischen Strahlung geben einen weiteren Hinweis auf einen galaktischen Ursprung. Die wahrscheinlichsten Quellen hierfür sind wohl Supernovae und deren Überreste, die zu starken Schocks innerhalb des interstellaren Raumes führen. Sterne mit Massen vergleichbar mit unserer Sonne können nur gelegentlich Teilchen auf kosmische Strahlungsenergien beschleunigen.
Es ist keine leichte Aufgabe, die Regionen von denen die kosmische Strahlung kommt zu identifizieren, da sich geladene Teilchen nicht auf einer geraden Linie auf uns zu bewegen. Wir können Sterne recht gut beobachten, da ihr Licht aus einer eindeutigen Position am Sternenhimmel stammt. Wir wissen weiterhin, daß kosmische Strahlung mit Energien bis zu etwa 1010 eV (10 GeV) manchmal von der Sonne kommen kann, von wo sie entlang den Feldlinien des interplanetaren Magnetfeldes zu uns kommt. Allerdings wird der kontinuierliche Fluß der so genannten galaktischen kosmischen Strahlung bis zu 1019 eV gleichmäßig aus allen Himmelsrichtungen gemessen. Dies liegt daran, daß sich geladene Teilchen innerhalb unserer Galaxie entlang verwirbelter Magnetfeldlinien ausbreiten. Daraus resultiert, daß die kosmische Strahlung, ähnlich Molekülen in einem heissen Gas, vollkommen zerstreut werden und die Quelle ihrer Herkunft und der zurückgelegte Weg nicht mehr nachvollziehbar ist.
Vergleicht man die hoechsten Energien der Teilchen von der Sonne mit den Energien von 1020 eV der galaktischen kosmischen Strahlung, so wird klar, daß der Großteil der kosmischen Strahlung nicht von Sternen beschleunigt werden können, die bezüglich Maße mit unserer Sonne vergleichbar sind. An die Quellen der kosmischen Strahlung bedarf es spezieller Bedingungen, bei denen große Mengen an Energie freigesetzt werden müssen.
Auf dieser Seite beschränken wir uns auf galaktische kosmische Strahlung mit Energien, die mit erdgestützten Neutronenmonitoren gemessen werden können (500 MeV - 60 GeV). Galaktische kosmische Strahlung kann Energien weit über diesem von Neutronenmonitoren beobachtbaren Limit besitzen. Heutzutage wird geschätzt, daß Protonen mit Energien bis zu 1015 eV und Ionen mit 1018 eV aus unserer Galaxie stammen.
Kosmische Strahlung mit noch höheren Energien werden mit leistungsstarken neuen Detektoren und Instrumenten untersucht. Hierzu gibt es mehr Informationen (in Englisch) auf folgenden Webseiten Auger und TAL.
Wie wird kosmische Strahlung beschleunigt?
Wie schon gesagt, wurden solare Teilchen mit Energien von bis zu 10 GeV beobachtet, dies ist aber sehr selten. Kosmische Strahlung mit Energien über 10 GeV trifft kontinuierlich auf die Erde. Daraus folgt, daß der Großteil der kosmischen Strahlung nicht von der Sonne oder sonnenähnlichen Sternen kommen kann.
Hinweise durch Elementhäufigkeiten
Ein weiterer Grund, daß die kosmische Strahlung aus einer größeren Entfernung zu uns kommt, ist durch die Häufigkeiten der verschiedenen Elemente in der kosmischen Strahlung gegeben.
Die obige Grafik (dead link) vergleicht die Elementhäufigkeiten in der kosmischen Strahlung aus Satellitenmessungen nahe der Erde (blaue Linie) mit der Elementhäufigkeit im Sonnensystem (rote Balken). Die horizontale Achse gibt die Anzahl der Protonen im Kern und das Symbol des dazugehörigen Elements steht am Kopf des Diagrams. Die Häufigkeit ist normiert auf die Häufigkeit von Silizium (Si): pro Siliziumkern (Si, 14 Protonen) gibt es mehr als eine Millionen Wasserstoffkerne (H, 1 Proton) und 100 Eisenionen (Fe, 26 Protonen).
Die relative Häufigkeit der Elemente in der kosmischen Strahlung und die durchschnittliche Häufigkeit im Sonnensystem sind für die meisten Elemente ähnlich. Das heißt allerdings nicht, daß die kosmische Strahlung in unserem Sonnensystem entsteht. Vielmehr ist die Häufigkeit der Elemente in unserem Sonnensystem ähnlich der Häufigkeit der Elemente unserer Milchstraße. Allerdings gibt es auch Unterschiede: die leichten Kerne des Wasserstoffs (H) und des Heliums (He) sind in der kosmischen Strahlung seltener vorhanden als im Sonnensystem, dies kann eine Folge des Beschleunigungsprozesses sein. In der kosmischen Strahlung treten zwei Elementegruppen besonders hervor, deren relative Häufigkeit deutlich größer ist als im Sonnensystem: die leichten Elemente Lithium (Li), Beryllium (Be) und Bor (B), die zwischen 3 und 5 Protonen haben und die schweren Elemente mit 21 bis 25 Protonen (Scandium Sc, Titanium Ti, Vanadium V, Chrom Cr, Mangan Mn).
Warum ist die Häufigkeit dieser Elemente in der kosmischen Strahlung soviel höher als im Sonnensystem (und in der Milchstraße)? Beachtet man nun, daß es für beide Gruppen Elemente gibt, die ein wenig schwerer sind: C, N, O für die Gruppe der leichten Elemente, Fe und andere für die Gruppe der schweren Elemente. Damit kann die überdurchschnittliche Häufigkeit von Li-B und Sc-Mn in der kosmischen Strahlung erklärt werden. In der ersten Phase der Beschleunigung der kosmischen Strahlung sind diese Elementgruppen noch nicht vorhanden. Erst durch Kollisionen der anfangs beschleunigten Teilchen mit interstellarer Materie entstanden dann die Elementgruppen Li-B und Sc-Mn. Diese Kollisionen zerstörten die schwereren Elemente und die Bruchstücke erzeugten damit die überdurchschnittliche Häufigkeit der beiden Gruppen Li-B und Sc-Mn in der kosmischen Strahlung. Diese Interpretation verlangt allerdings, daß die kosmische Strahlung ein Mindestmaß an Materie auf ihrem Weg von der Quelle bis zu uns angetroffen haben muß, woraus wir das Alter der Teilchen und ihren zurückgelegten Weg abschätzen können. Die zurückgelegte Entfernung ist für die einzelnen Arten von Teilchen natürlich nicht gleich. Im Durchschnitt ist die zurückgelegte Distanz größer als unsere eigene Galaxie. Legt man nun die komplexen Wege der Teilchen im turbulenten galaktischen Magnetfeld zugrunde, so kann daraus gefolgert werden, daß die Komponenten der kosmischen Strahlung, wie beispielsweise Protonen mit bis zu 1015 eV und Ionen mit bis zu 1018 eV ihren Ursprung in unserer Galaxie haben.
Supernovae und Schockwellen
Um nun die Quellen der kosmischen Strahlung zu finden und zu identifizieren, müssen wir nach großen Ereignissen in unserer Galaxie suchen. Ein Extrem in unserer Galaxie, bei dem eine enorme Menge an Energie freigesetzt wird, ist eine Supernova: der Kollaps eines massereichen Sterns am Ende seiner Lebenszeit nach dem völligen Verbrauch des nuklearen Brennstoffs und der anschließenden Explosion des Sternes. Wenn nun der Kern eines solchen Sterns explodiert wird seine äußere Hülle, die mehrere Sonnenmassen an Materie enthält, mit enormer Geschwindigkeit in den interstellaren Raum ausgestoßen. Ähnlich einem Überschalljet in der Erdatmosphäre bewirkt diese hohe Geschwindigkeit der Materie eine Schockwelle. In einem ionisierten Gas werden geladene Teilchen sehr effizient an Schockwellen beschleunigt. Schocks von Supernovae haben Anfangsgeschwindigkeiten von mehreren 1000 km/s. Diese werden über eine Zeit von zehntausenden von Jahren abgebremst.
Heutzutage sehen wir noch Überreste von Supernovaexplosionen der jüngeren Vergangenheit in unserer Galaxie. Ein Beispiel eines solchen Überrestes ist die Supernovaexplosion aus dem Jahre 1006, die zur damaligen Zeit über mehrere Wochen sehr hell strahlte und den Beobachtern wie ein “neuer” Stern erschien. An Stelle dieses neuen Sternes sehen wir heutzutage einen nahezu sphärischen Nebel, wie auf den beiden Graustufenbildern zu sehen (reverse colour scale: dunkle Schattierung bedeutet starke Emission). Die Beobachtungen wurden im Radiofrequenzspektrum bei 843 MHz und im Röntgenbereich 1.2 bis 4 keV (siehe http://w0.sao.ru/cats/~satr/SNR/snr_map.html) gemacht.
Die Überreste dieser Supernova zeigen eine Schalenstruktur, in der das erhitzte Gas (Röntgenstrahlung) und die hochenergetischen Elektronen (Radiowellen und Röntgenstrahlung) von den Schockwellen in den interstellaren Raum hineingetrieben werden. Das Farbbild auf der rechten Seite zeigt eine Kombination neuerer Aufnahmen, in dem Bilder im Röntgenspektrum vom Satelliten Chandra (blau) mit verschiedenen optischen Aufnahmen (gelb, orange, hellblau) und einer Aufnahme im Radiowellenspektrum (rot) zusammengesetzt sind. Von http://chandra.harvard.edu/photo/2008/sn1006c/.
Was können uns diese Bilder nun über energiereiche geladene Teilchen sagen? Von Beobachtungen bei verschiedenen Frequenzen wissen wir, daß die Emissionen im Radiospektrum und im Röntgenspektrum zu Synchrotronstrahlung gehört. Synchrotronstrahlung wird von hochenergetischen Elektronen und Positronen erzeugt, die um Magnetfeldlinien gyrieren. Die Frequenz dieser Strahlung ist umso höher je höher die Energie der Teilchen ist. Nach unserem Wissen über den Synchrotron Mechanismus und das interstellare Magnetfeld können wir aufgrund der emittierten Radiostrahlung der Elektronen bei 843 MHz darauf schliessen, daß diese eine Energie von einigen GeV (109 eV) besitzen. Röntgenstrahlung sind elektromagnetische Wellen bei sehr viel höheren Frequenzen als die Frequenz der emittierten Radiowellen. Daraus folgt, daß die Energie der Elektronen und Positronen, die Strahlung im Bereich der Röntgenstrahlung emittieren, sehr viel höher sein muß als bei Radiowellen. Die Röntgenstrahlung weist die Existenz von Elektronen und Positronen mit Energien bis zu 1014 eV nach.
Hieraus folgt nun also das Überreste von Supernovae tatsächlich Quellen von hochenergetischen Elektronen sind, die innerhalb der kosmischen Strahlung zu finden sind. Aber was ist nun mit den Protonen und den anderen schwereren Kernen? Leider erhalten wir über diese sehr viel weniger Informationen aus der elektromagnetischen Strahlung. Protonen und Kerne emittieren zwar Strahlung über Kernreaktionen. Das eindeutigste Signal ist Gammastrahlung, die beim Zerfall von Pionen entsteht. Pionen entstehen, wenn energiereiche Protonen auf Protonen oder Kerne des interstellaren Mediums treffen. Das neutrale Pion zerfällt nahezu augenblicklich in Gammastrahlung mit einer Energie um 67 MeV (im Ruhesystem des Pions). Bewegt sich das zerfallende Pion mit sehr großer Geschwindigkeit, so hat das emittierte Photon eine höhere Energie; Werte bis in den Bereich von TeV (1012 eV) sind möglich.
Diese Emissionen, soweit sie existieren, werden allerdings durch die hohe Strahlungsinensität der energiereichen Elektronen in diesem Energiebereich überstrahlt. Das HESS Teleskoparray in Namibia hat Strahlung im hohen Gammabereich (über 100 GeV) gemessen. Diese Strahlung wird den Protonen und Kernen der kosmischen Strahlung zugeschrieben. Die Identifikation des Spektrums der Gammastrahlung des Zerfalls der Pionen ist eines der Schlüsselziele des neuen FERMI Teleskops.
Die Beschleunigung von geladenen Teilchen an Schockwellen
Eine Schockwelle wirkt auf ein geladenes Teilchen ähnlich wie ein Tennisschläger auf einen Tennisball. Trifft der Spieler den Ball mit einer schnellen Vorwärtsbewegung des Schlägers, so wird der Ball mit einer höheren Geschwindigkeit reflektiert als er vorher besaß. Der Ball wird beschleunigt.
An einer Schockwelle in einem ionisierten und magnetisierten Gas wird das Teilchen reflektiert, weil das Magnetfeld hinter dem Schock komprimiert und verstärkt wird. Die Reflektion des Teilchens ist ähnlich der Reflektion an der Magnetosphäre der Erde, welche die niederenergetische kosmische Strahlung davon abhält in die Atmosphäre einzudringen. Im Falle der Magnetosphäre ist es dann so, als ob das geladene Teilchen auf ein ruhendes Objekt trifft. Das Teilchen wird dann mit der selben Geschwindigkeit reflektiert mit der es auf die Magnetosphäre trifft, als ob also der Tennisspieler den Schläger nicht bewegen würde, wenn der Ball auf diesen trifft. Die Schockwellen sind allerdings nicht statisch. Sie bewegen sich von dem Überrest ihres Sternes weg in den interstellaren Raum hinein. Nach einer Reflektion an einem dieser sich bewegenden Schocks hat das Teilchen eine höhere Geschwindigkeit als zuvor – das geladene Teilchen wurde durch die Begegnung mit dem Supernovaschock beschleunigt. Eine einzelne Bewegung wird das Teilchen nicht nennenswert beschleunigen, wenn das Teilchen auf seiner Reise allerdings vielen Schocks begegnet, wird es auf beachtliche Energien beschleunigt. Dies entspricht nach dem heutigen Stand des Wissens, wie Teilchen (Protonen und schwerere Kerne) auf Energien von 1015-1018 eV beschleunigt werden, was dem “Knie” des Spektrums der kosmischen Strahlung entspricht.
Die limitierenden Faktoren, die bei der Beschleunigung von Teilchen zu hohen Energien zum Tragen kommen, sind zum einen die zur Verfügung stehende Zeit, während der die Teilchen beschleunigt werden können und zum anderen die begrenzte Möglichkeit der Magnetfelder und des Raumes energiereiche Teilchen zurück in den Schock zu reflektieren. Supernovaschocks sind zu Beginn sehr kraftvoll, verlieren aber stetig an Energie, wenn sie sich in den interstellaren Raum ausbreiten und dabei Teilchen beschleunigen. Darum sind sich die Wissenschaftler sicher, daß die Protonen der kosmischen Strahlung mit Energien weit über 1015 eV und Ionen über 1018 eV einen weitaus stärkeren Beschleunigungsmechanismus benötigen. Dieser ist allerdings nach heutiger Erkenntnis in unserer Galaxie nicht vorhanden.
Mehr Informationen dazu unter der Webseite des Goddard Space FlightCenters (dead link)